Zeitsonette aus dem Pusterthal (18) - Druckversion +- Sonett-Forum (https://sonett-archiv.com/forum) +-- Forum: Sonett-Archiv (https://sonett-archiv.com/forum/forumdisplay.php?fid=126) +--- Forum: Sonette aus germanischen Sprachen (https://sonett-archiv.com/forum/forumdisplay.php?fid=394) +---- Forum: Deutsche Sonette (https://sonett-archiv.com/forum/forumdisplay.php?fid=398) +----- Forum: Autoren G (https://sonett-archiv.com/forum/forumdisplay.php?fid=622) +------ Forum: Hermann von Gilm (https://sonett-archiv.com/forum/forumdisplay.php?fid=1306) +------ Thema: Zeitsonette aus dem Pusterthal (18) (/showthread.php?tid=25705) |
Zeitsonette aus dem Pusterthal (18) - ZaunköniG - 22.08.2023 Zeitsonette aus dem Pusterthal I. Deutschland erwacht, wenn auch vom fremden Spotte, Zu eines Volkes mächtigem Vereine, Von seinen Bergen lösen sich die Steine Zum Tempelbaue dem vereinten Gotte. Und wo ein Baum, ein Bach, wo eine Grotte, Da singt's und klingt's im Frührotdämmerscheine; Hört ihr nicht Freiligrath im Eichenhaine Gewaltig zimmern an der deutschen Flotte? Tirol! reib' dir den Schlaf aus deinen Augen. Steh' auf vom alten Lorbeerbett, es taugen Nicht welke Kränze für den frischen Morgen; Du kannst nicht ewig vom Vergang'nen borgen, Selbstmörderisch am eig'nen Blute saugen — Die Zeit ist da, für neuen Ruhm zu sorgen. II. Die Trauben hangen schwer an ihren Stäben, Die wilde Ente schwimmt vergnügt im Bade, Auflauscht das Reh von seinem grünen Pfade, Und Berberitzen reifen rot daneben. Still ist das Land wie ein Granitgestade, Eh' sich die Wogen fangen an zu heben, Und doch beginnt ein Kampf auf Tod und Leben, Wo keiner giebt und keiner fordert Gnade. Nicht lang ist's her, daß grausam wir vertrieben Die eignen Brüder haben, die uns lieben, Und sollen Fremde nähren, die uns hassen! Ihr Väter Jesu müßt das Land verlassen! Die Zeit ist um, die Völkerthaten lassen Sich nicht gleich einer Hochzeitsnacht verschieben! III. Wir konnten nie dem Feind zu Leibe kommen Und haben stets mit Schatten uns geschlagen. Es kamen alle unsre sieben Plagen Wie wesenlose Nebel hergeschwommen. Nun endlich hat zu unserm Heil und Frommen Vielleicht aus Muth, die Schjlacht mit uns zu wagen, Vielleicht aus Eitelkeit, wer kann es sagen? Der Feind Gestalt und Körper angenommen. Wir dürfen nicht mehr in die Irre schweifen: Breit steht das schwarze Mal vor unsern Läufen, Unwiderstehlich lockt es Thun und Trachten. Dem wahren Haß genügt nicht das Verachten, Der Liebe gleich muß er mit Händen greifen Nach seiner Sehnsucht, soll er nicht verschmachten. IV. Wir wissen wohl, wie sie vergnüglich blickten Als sie dies jungfräuliche Land getroffen, Das noch nicht schwanger geht mit all den Stoffen An denen diese Väter einst erstickten. Doch blind und thöricht sind die Wahnumstrickten Da lagen unsrer Thaten Bücher offen, Wie konntet ihr auf unsre Knechtung hoffen, Wo selbst die Berge sich nach Waffen bückenten. Wie klug ihr seid, gingt ihr doch in die Falle. Der Köder war zu süß vom Duft der Fichten, Von Alpenblumen und von Rebenkränzen. Und ihr vergesst die Brücke von Lorenzen, Dort fiel der erste Schuß, von dorther schalle Das erste Lied, euch geistig zu vernichten! V. Ein Andermal will ich das Mädchen loben, Im Lied des Sieges, das in Kriegestagen Keck vor den Feind den heubelad'nen Wagen Zum Schutz für ihre Jünglinge geschoben. Und feuert die Batt'rie aus vollen Lagen Im Wiesenteppich, blumenreich durchwoben, Sind all' die Kugeln besser aufgehoben Als dort im Wald, wo Brüderherzen schlagen. Geliebte! ohne Schuh und ohne Wehre Steh' vor dem Feind allein ich mit den Musen Ach geh' und pflück' die Blumen meines Lebens, Brich schonungslos die Rosen der Cithere Und drück' den Kranz mir fest vor meinen Busen, Dann schlendert er den gift'gen Pfeil vergebens. VI. ihr sät umsonst; denn euren faulen Kernen Fehlt jeder Lebenskeim, und eurer Schule Fehlt der Begeistrung Wort, selbst eurer Buhle Die alte Nacht strahlt nun mit neuen Sternen. Folgt meinem Rat, euch stille zu entfernen, Das schnelle Schifflein in dem Weberstuhle Macht schamrot euch ... von jeder Baumwollspule Könnt ihr der Zeiten ew'gen Fortschritt lernen. Europa fährt mit glühend roten Achsen An euch vorbei und euren alten Lehren Und schaut euch an mit Sonnenmikroskopen. Der Mönche Weisheit ist es längst entwachsen; Drum geht, die blinden Heiden zu bekehren, Wir zahlen euch den Dampfer nach den Tropen. VII. Der Kampf sei redlich, ehrlich sei die Wette, Wozu ich kühnen Mutes mich erdreiste, Sie sind nicht frei, gefesselt in dem Geiste, Ich fess'le mich freiwillig im Sonette. Das Maß der Silben bändigt meine Fäuste, Der Reim legt um die Arme mir die Kette, Doch wissen wir von mancher Kampfes-Stätte, Wie viel der Freie auch in Fesseln leiste. Wenn ich den Reim aus harten Stoffen schaffe, So kann die Kette werden eine Waffe, D'rum leg' ich an die Lieder keine Feile. Hat wohl Alcid geglättet seine Keule? Ich kann nicht süß wie Beda Weber klagen, Ich muss den Feind mit meinem Reim erschlagen. VIII. Als Goethe folgend des Propheten Fahne, Die ambraschwang'rer Wind aus Mekka blähte, Mit Schiras Perlen strahlend übersäte Sein Deutschland im westöstlichen Divane - - Firdusi sprach zum neuen Muselmanne: Nicht immer sollst du lieben mir, Poete, Nicht immer sollst du beten mir, Prophete, Auch Hassen ist Gebot im Alkorane. Doch heiter war ihm gestern so wie heute, Suleika schmiegte sich an seine Seite Dem Greise reichend ihrer Jugend Born. Des Unmuts Buch fand keinen Feind zum Streite, Das Buch der Liebe löschte seinen Zorn, Und Persiens Rosen blieben ohne Dorn. IX. Und ist das Buch des Unmuts leer geblieben, Schreib' ich hinein; ihr nennt dies ein Erfrechen, Doch wenn zu schweigen Könige belieben, Darf ohne Scheu der Armgebor'ne sprechen. Ihr sagt, daß ich kein Meisterlied geschrieben, Der Dichter soll entzücken und nicht stechen . . . Doch eh' bei uns die Rosenknospen brechen, Hat sich schon lang der Dorn hervorgetrieben. So sing' ich die Sonette Euch zum Tröste: Bevor Euch wundend nicht der Dorn getroffen, Könnt Ihr bei uns auch keine Rosen hoffen. Und Jedem, den der harte Spruch erboßte, Reich' ich ein Glas vom neuen Traubenmoste, Das Buch des Schenken steht uns immer offen. X. Ihr Musenjünger, die mit Tränenfluten Ihr von der Welt Verderben christlich wimmert, Verwesung singend uns die Särge zimmert Aus heißer Liebe nach dem Absoluten. Der Lieder Art will nimmer uns gemuten, Hat sich die Welt, die ihr geschmäht, verschlimmert, Ist's eure Schuld, weil ihr sie unbekümmert An ihren tiefen Wunden lässt verbluten. Der Dichter muss voran! wie einst die Wolke Vor Israel muss er vor seinem Volke Der wüsten Zeiten kund'ger Lotse wandeln; Das Lied ist nur die Blüte vor dem Handeln, Im Buche der Geschichte könnt ihr lesen. Dass jede Tat zuerst Gesang gewesen. XI. Es gibt zwar Viele, die die Zeit verstehen, Doch ist's umsonst, weil sie den Mut nicht haben, Des neuen Tages leuchtende Ideen Aus ihres Volkes Herzen auszugraben. Lass erst des Lichtes klare Schönheit schell, Dass sich der Menschen Augen daran laben; Dann geht es vorwärts, wie die Rosse traben Am Tag der Schlacht, wenn alle Banner wehen. Wer hat nicht Angst, wer bebt nicht im Gefühle Des nahen Kampf's? wem drückt die bange Schwüle Vor dem Gewitter nicht die Seele nieder? Und wenn auch rings der ganze Himmel wettert, Singt doch die Lerche wohlgemut und schmettert In jeden neuen Donner ihre Lieder. XII. Wer nimmt zum Siegesaugenblick Rekruten, Braucht Veteranen als Kanonenfutter? Wenn Pulverdampf sich mischt mit Meeresfluten, Stand je ein Admiral auf einem Kutter? Drum gieb den allerbesten Sohn uns, Mutter: Georg von Freundsberg, der des Hasses Gluten So heiß und minnesüß empfand wie Luther Und mit dem Schwert die Harfe schlug wie Hutten. Wir brauchen dich nach Welschland nicht zu senden, Schon längst ist aus sie stolze Singnoria,, Und keine Lilien blühn mehr vor Pavia. Hast du den Strick wohl noch um deine Lenden? Heraus damit! Mit Hilfe von Maria Kannst du dein Werk im Vaterland vollenden! XIII. Wenn sich ein Käuzchen zeigt im Wald, ergreifen Die Vögel in den Büschen Furcht und Bangen, Doch kommen sie bald näher voll Verlangen, Den Finsterling gehörig auszupfeifen. Drauf sagt mein Mädchen: Auch zum Vögelfangen Stellt man ein Käuzchen zu den Roßhaarschleifen; Eh' noch die Früchte deines Liedes reifen, Wirst du, ein Toter, in der Schlinge hangen. Dann ist sie weinend mir ans Herz gesprungen, Die Arme hielt, als ich sie lächelnd küßte, Mich fast wie einen Scheidenden umschlungen. Weiß Gott, sie haben schreckliche Gelüste - An Ketzerfeu'r gebratne Frauenbrüste, Gefüllt mit süßen Nachtigallenzungen. XIV. Als deutsche Wissenschaft noch glich dem Bache, Auf dem die Kinder nur aus Kurzweil schiffen, Als kaum entknospet war noch unsre Sprache, Voll jungfräulicher Armut an Begriffen, Wahrlich, da war's, mit Jesuitenkniffen Die Menschheit zu verblenden, leichte Sache, Doch wer an ihr gesündigt, hat vergriffen Sich an der Gottheit, ihr gebührt die Rache. Jetzt lachen wir! Ihr könnt uns nimmer lenken Auf euren alten angefaulten Bänken, Die Fürstengunst mühsam zusammenhält! Gedanken nur regieren jetzt die Welt! Und euer Dogma - schaudert nur! - enthält Das einzige Gebot: Du sollst nicht denken! XV. Nie werd' ich euch mein freies Lied verkaufen, Die Siegeswaffe ist es für den Kühnen. Das Wort entscheidet jetzt, nicht Henkerbühnen, Nicht Marterbetten und nicht Scheiterhaufen. An Worten aber fehlt's, wo ihr erschienen, Doch steigt herab vom Brenner und vom Jaufen, Ihr müßt in jeder Rebenlaube raufen Und jede Feige kämpfend euch verdienen! Selbst wenn ihr siegt, euch bis zur Ortlers-Firne Tirol gehört, wenn jedes Herz gebrochen, Auf ewig ist gebranntmarkt jede Stirne: Giebt es im Pusterthal noch eine Dirne, Frei bis zum End' der Welt, die auf mein Pochen Mir ihre kühle Kammer hat versprochen. XVI. Geschäftig sind die Maurer und die Schreiner, Der Hammer klirrt, und krachend bricht der Hebel, Sie bauen ... gut! Wir bauen auch! Ein Nebel Deckt das Gefild, und was geschieht, weiß keiner. Dort steht ihr Haus! Und einer, wieder einer Geht aus und ein, geschwärzte Geistesknebel; Hier steht das unsre, drin der Wolkensteiner Oswald, Geschichte, Kunst und Hofers Säbel! Schlaf ruhig Innsbruck rechts und links der Brücke, Stark in der Liebe, aber schwach im Hasse, Hast du in dieser Sache nichts zu reden. Und daß kein Lärm sich nahe deinem Glücke, Giebst du den Kämpfern eine neue Straße Und baust ein neues Haus für einen jeden. XVII. Das stolze Weltmeer nimmt von kleinen Bächen Manch' Rosenblatt und and're Frühlingsgabe, Nie wird ein Lied den Glanz der Krone schwächen, D'rum stand vor einem Könige der Schwabe, Der Freiheit Nachtigall! Doch Früchte brechen Mutwillig, eh' sie reif, kann nur ein Knabe, Mir träumt, dass mir mein Fürst gerufen habe, Und tief verbeugend Hub ich an zu sprechen: „Gib uns, o Kaiser, nur auf wenig Stunden „Die Presse frei, entfess'le ihre Flügel, „Der angebund'ne Adler kann nicht streiten. „Wenn wir den Feind des Lichtes überwunden, „Kehrt willig sie zurück zu Zaum und Zügel, „Und lässt sich fromm von deiner Weisheit leiten." XVIII. Die ihr dem Dichter gern Gesetze machtet, Dass er nur soll von Lieb' und Frühling singen Und jenen schmäht, der in der Zeitnot trachtet Ein Wort des Trostes vor sein Volk zu bringen. Euch sei vertraut, dass ich nach Lieb' geschmachtet Und war den Blumen gut vor allen Dingen, Weil sie dem Himmel, wenn er sie umnachtet, Die hellen Tränen wissen abzuzwingen. Doch für das Ungetüm, das man herbei Geschleppt — jedwede Nacht legt es ein Ei — Tauscht selbst Apoll die Leier mit der Keule Sing' jeder Vogel in dem Wald und heule Auch jeder Hund im Dorf, die blinde Eule Vertreibt nichts And'res als der Hahnenschrei. . |