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Der Vögel Art und Weise
#1
Ein wenig darf ich wohl auch noch daneben
Von manches Vögleins Art und Weise singen;
Zur kleinen Gabe will ichs denen bringen,
Die Vogelfreunde sind, wie selbst ich eben.

Oft wollt’ sich mir das Herz schon fröhlich heben,
Als wüchsen selbst mir leichtgeschwellte Schwingen,
Wenn durft’ zu lauschen mir einmal gelingen,
Wie jenen Schwaben, auf der Vögel Leben.

Ein goldnes Büchlein wollt’ davon er schreiben,
Ein feiner Kenner, der weiß hübsch zu deuten,
Was Vielen will oft ganz verborgen bleiben.

Da jüngst ich nun es fleißig durft’ studiren,
Will ich mit manchen draus erworbnen Beuten
ein paar Sonettchen gerne mir verzieren.
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#2
Tonreichthum

An Tönen sind die Vögel wunderreich,
Sie rufen, schnalzen, glucksen, seufzen, klagen,
Dann locken sie und girren zart und weich,
Wie eben schlägt das Herz zu manchen Tagen.

Wenn stimmen an sie ihren vollen Sang,
Erklinget er ans Ohr in hellen Tönen,
Wir lauschen ihnen gerne stundenlang,
Ihr süßer Laut lockt uns manch stilles Sehnen.

Doch ach! den Weibchen ist der Sang versagt;
Ob lustig sie von Zweig zu Zweig sich schwingen,
Darf, wenn der schöne Frühlingsmorgen tagt,
Kein Liedchen doch aus ihren Kehlen klingen.

Drum magst du auch, mein liebes Töchterlein,
Weil singst du gern, ein Vögelchen nicht sein.
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#3
Amsel

Harmonisch darf der hochgeschwungne Laut
mir aus der sangesreichen Kehle dringen,
Dem Morgen, wenn er kaum am Himmel graut,
Den ersten Gruß frohlockend darzubringen.

Wo hoch sich nur ein Gipfel wölben mag,
Da laß ich mich in stolzem Fluge nieder,
Daß, wenn sich neigt der sonnenhelle Tag,
Ihn grüßen noch die letzten Abschiedslieder.

Ich liebe zwar des Waldes Einsamkeit,
Dem lauten Lärm des Tages zu entfliehen,
Doch nist’ ich gern zur schönen Lenzeszeit,
Wo sich durch Gärten laubge Büsche ziehen.

Auch hört man wohl ein Frühlingslied mich schlagen,
Wo hoch ein Kreuz wil über Gräbern ragen.
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#4
Rothkehlchen

Ich liebe, wo ich immer auch noch sei,
Wohin zum Sang mich leichte Schwingen tragen,
Die mir so lockende Melancholei,
So lang mir darf das kleine Herz noch schlagen.

Sind Andre harmlos jeden lieben Tag,
Leichtsinnig oft und flatterhaft zu nennen,
Ergetzend sich im lustgen Sangesschlag,
Bin immer als schwerblütig ich zu kennen.

Doch weil ich so und anders nicht sein muß,
Und singe doch so seelenvolle Weisen,
So hegt mich mancher Melancholicus,
Und will mich seinen Lieblingssänger heißen.

Kann doch nicht jeder lustig immer sein,
So lang ihn noch das Leben schließet ein.
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#5
Finken

Gar lustig tönt der Finken heller Schlag,
wenn hört man ihn durch Wald und Flur erschallen,
Er weckt, er schließt den schönen, lieben Tag,
Und immer ist er klangesvoll vor allen.

Ein Meister ist der eine im Gesang,
Und läßt sein helles „Wirthsgebühr“ erklingen,
Derweil ein andrer, sinnt er stundenlang,
Kein Meisterstücklein weiß hervor zu bringen.

Kommt stets drauf an, wo einer ist gelehrt,
Und wo er seine Studien begonnen;
Wenn war sein Lehrer ächt und sangbewährt,
Hat schnell er seine Weise sich gewonnen.

Drum wer einmal will selbst ein Meister sein,
Der finf’ bei Meistern sich als Schüler ein.
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#6
Staar

Ich bin ein muntres, rabenschwarzes Stärchen,
Kann schlagen, schnalzen, schnarren, girren, schrillen,
Was du mir vorpfeifst, treff’ ich auf ein Härchen,
Gelehrig bin ich, immer dir zu Willen.

Wenn nennest du mir einen werthen Namen,
Der süß dir will vor allen andern munden,
So kann ich ihn dir meisterlich nachahmen,
Wie selbst du sprichst ihn gern zu allen Stunden.

Wenn darf einmal ich in die Fremde wandern,
Neugierig hin in ferne Länder reisen,
So lern’ ich gern die Töne von den Andern,
Und kehre heim mit nagelneuen Weisen.

Und weil ich kann dich höchlich amüsieren,
Darf wohl mein Käfig deine Fenster zieren.
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#7
Zaunkönig

Ein König bin ich, ob auch nur im Zaun,
Und meisterlich will stets es mir gelingen,
Ein nettes Nestchen heimlich mir zu baun,
Und drüber hin ein fröhlich Lied zu singen.

Flink bin ich, hastig, ob auch winzig klein,
Vorwitzig oft, was neues zu erspähen,
Doch immer kann, wo flieg ich aus und ein,
Man lustig mich und ohne Sorgen sehen.

Ist Andrer Mund verstummt zur Winterszeit,
So laß ich noch ein muntres Liedchen schallen,
Daß tönt es schrillend in die Runde weit,
Und kann als selten Jedem noch gefallen.

Und wär’ der höchste Thron der Welten mein,
Mich freut es mehr, im Zaun ein König sein.
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#8
Schwalben

Wir siedeln an so manchem stillen Haus,
Ein feines Nestchen sinnig uns zu bauen,
Und fliegen fröhlich darin ein und aus,
Ein wenig in der Welt uns umzuschauen.

Wir lieben es schon seit uralter Zeit,
Zur Bergung fromme Stätten uns zu wählen,
Und wollen aus den fernsten Fernen weit
Ins Heiligthum mit leisem Flug uns stehlen.

Seitdem ists Brauch, daß man von Land zu Land
Als hocherbaulich will uns gerne preisen,
Und wo wir Nestchen fügen an die Wand,
Da will man auch uns stets willkommen heißen.

Und wenn wir weg in ferne Weiten ziehn,
Wird bald kein Blümlein mehr im Felde blühn.
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#9
Nachtigallen

Wie oft sind euch, ihr süßen Nachtigallen,
Die hellen Saiten schon zum Ruhm erklungen;
Wer je sich noch aufs Dichterroß geschwungen,
Dem wollt’ vom Munde euer Lob erschallen.

Wenn dursten wir durch grüne Haine wallen,
An Bächen hin, dem klaren Quell entsprungen,
Ist euer Sang uns hell ans Ohr gedrungen,
Als horchten wir in goldnen Sängerhallen.

Und wenn die Nacht sich senkte schon hernieder,
Verstummen rings die andern Sangeslaute,
Da schmetterten noch eure helle Lieder.

Lang wollten wir den süßen Klängen lauschen,
Als ob im Dom uns ein CDhoral erbaute,
Den hörten wir herab vom Chore rauschen.
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#10
Sperling

Nicht leicht wird einer kühnlich wohl es wagen,
Will noch so laut ihm sonst die Leier klingen,
Den Sperling, den schmucklosen, zu besingen,
Dem die Natur wollt’ selbst den Sang versagen.

Und doch, so liuest man in den Göttersagen,
Wenn Aphrodite kommt, ihr Band zu schlingen
Um manches Herz, ihm Lieb und Leid zu bringen,
Spannt sie die Sperlinge vor ihren Wagen.

Mit holden Tauben, mit den stolzen Schwänen
Den goldnen Wagen im Triumph sie ziehen;
So haben sie auch gleichen Ruhm mit jenen.

Drum darf man wohl sie auch im Lied erheben,
Das sie, weil sonst sie andre Reize fliehen,
Zum Schmuck sich mögen um die Flügel weben.
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#11
Gänschen

Ein Gänschen ach! man wollt’ es hoch sonst achten,
Und gern es zu den liebsten Vögeln zählen,
Denn nur ein Federchen durft’ man ihm stehlen,
Gleich konnt’ man reimen und in Briefen schmachten.

Doch seit Stahlfedern sich zu eigen brachten
Uns neuerdings, nach Lust sie auszuwählen,
Will auch, ich kanns dem Gänschen nicht verhehlen,
Gar sonderlich es Niemand mehr beachten.

Und doch viel schärfer, spitziger gestalten
Will Manches sich, seitdem mit Stahl wir schreiben,
Und Manches, scheints, will in der Feder bleiben.

Drum laßt die Gänsekiele wieder walten,
Wies war zuvor in guten alten Zeiten,
Und nicht vorwärts uns so eilfertig schreiten.
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