Themabewertung:
  • 0 Bewertung(en) - 0 im Durchschnitt
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
Unter den Reben
#1
Die Trösterin

Die Muse Weib ist, unterthan den Launen:
Sie duldet Viel, ja Alles von dem Theuren,
Den einzig ihre Küsse nur befeuren.
Sobald jedoch ihr böse Zungen raunen,

Daß man gewagt, auch Andre zu bestaunen,
Dann greift ihr Zorn blindlings zum Ungeheuren.
Sie droht mit Scheidung: Gluthen laß erneuren
Von Nixen Dir, von Satyrn oder Faunen.

„Vielleicht von mir?“ sprach tröstlich eine Lippe
Zum Dichter, welchem jenes Glück geworden,
Das Vater Adam kostete die Rippe.

Wer sind Sie, Kind? „Nicht heimisch hier im Norden:
„Die Rebe heiß ich, Nektar ist mein Sippe,
„Und wer mich ehrt, den tränk ich mit Accorden.“
Zitieren
#2
Am großen Wege

Spätnachmittag in goldne Ruhe wieget
Den Lindenhof, das Wirthshaus und die Laube.
Durch Reben schwillt der Purpurglanz der Traube,
Und drinnen Wein das offne Herz besieget:

Studenten zechen dort. Hier aber schmieget
Ein Wandrer sich, der Müdigkeit zum Raube,
In Kühlung her, und sicher wie die Taube
Durch Ätherhöhn sein Traum zur Heimath flieget.

Was schrillet von der Straße, was so eigen
Mit heiserm Ton und jetzt im Fiebertakte?
Zigeuner sind’s! Schon wirbelt hin ihr Reigen,

Der Klang das Ohr, der Bursch die Dirne pacjkte.
Doch zu dem Feinsten, weil er schlief, sich neigen
Der schönsten Locken dunkle Katarakte.
Zitieren
#3
Gift statt Labung

Gewiß, wer ohne hoffnung liebt, der sinket
In tiefer Nacht träumend in Liebesarme,
Wer einsam kämpfet, taub dem niedern Schwarme,
Ihm das Asyl in Lorbeerhainen winket.

Wenn du verlassen sterben mußt, dir blinket
Vom Himmel Frieden her nach langem Harme,
Doch einsam wird, einsam, daß Gott erbarme,
Der Zechkumpan, der sonder Freunde trinket.

Denn Wein ist Gluth, ist Lieblingskind der Sonne,
Und wer ihn fröhlich küsset, den berauschet
Die Zauberströmung jeder Lebenswonne,

Drin Geist und Stoff und Licht und Nacht vertauschet.
Am Kelch das bleiche Haupt ist wie die Nonne,
Die sich zur Qual verbotnes Glück belauschet.
Zitieren
#4
St. Johannisfeier

Im Froschorchester kräftig zirpt die Grille,
Ein breiter Lichtstrom durch die Wiipfelkrone
Hernieder schwimmt vom gastlichen Balcone
Und mondhell ist die Nacht und weich und stille.

Der Vater liest, Grosmutter rückt die Brille,
Bedeutsam lugend nach dem Enkelsohne,
Der sein Blondinchen zwingt mit sanftem Tone,
Daß von den Lippen endlich Wahrheit quille.

Doch tief erröthend neiget sie das Haupt.
Da kommt ein lieber Nachbar: Ihn zu ehren,
Die Hausfrau trägt ein Fläschlein altbestaubt,

Ein Goldsaft rinnt, dem Herzen nie sich wehren.
Die Seele glüht, die Blüthe wird geraubt,
Und Amor läßt von Bachus sich belehren.
Zitieren
#5
Zweierlei Wein

Den starken Sohn der gluthumflossnen Steine
Hat groß gesäugt mit Feuer seine Amme,
Die Strahlenkönigin, die Sonnenflamme,
Und darum sprüht aufwärts der Geist im Weine.

Doch jener Zwiespalt, dessen Gift das Reine
Verwelken macht im erdgebornen Stamme,
Der träge Leib aus Kalk und Schutt und Schlamme
Heimtückisch zeugt im Becher das Gemeine.

Und dieses gähnt und hüllt in Nacht die Frechen,
Die weihelos der Gier des Rausches fröhnen.
Doch Heil der Seele, welche Kraft will zechen!

Vom Licht gelehrt, den eklen Dunst zu höhnen,
Genießt sie Leben: Tausend Knospen brechen
In Träumen, Worten, Blicken oder Tönen.
Zitieren
#6
Waldmeisters Stromfahrt

Die Neckarwelle glitzert und erzählet
Vom Schwarzwald eine heimliche Geschichte,
Der Äther schwimmt in blauem Silberlichte,
Das Herz den Traum zum Spielgenossen wählet,

Und hier im Kahn ist Picknick: Still sich quälet
Ein zartes Fräulein, wie es Kuchen richte,
Dort Andere mit schelmischem Gesichte
Maiwein entkorken, dessen Blüthe stählet

Den Muth der Herrn zu reizenden Verbrechen.
Und halbe Seufzer, halbe Worte, ganze,
Doch sehr verstohlne Händedrücke sprechen

In Moll und Dur das Lied vom Myrthen kranze.
Ein Querkopf nur verschmäht sothanes Zechen:
Sein Heimweh ruht, sein Blick im Sternentanze.
Zitieren
#7
Die edle Schenkin

Und weil so königlich dies Blut der Reben,
Drum ward es her vom Paradies ergossen,
Und alle Labsal ruht in ihm beschlossen
Und Würze nicht darf Irdisches ihm geben.

Nur Eins ihm leiht, dies aber höchstes Leben:
Du, Gastfreiheit! Wer deinen Wein genossen,
Wenn fromm du lehnst an schaumbedeckten Rossen,
Zum Sattel hoch dein Becherlein zu heben,

Wenn aus dem Pfarrhaus unter Lindenblüthen
Du wandeltest, blauäugig, blond von Haaren,
Ja, wenn zu Schiff in dämmrigen Kajüten

Zu reich du warst, Xeres und Witz zu sparen:
in aller Welt, wo deine Tropfen glühten,
Dein Schützling fand Heimath in Wanderjahren.
Zitieren
#8
Junge Rosen, altes Räuschlein

Der Juni hat die Rosen aufgeschlossen,
Ihr Odem glüht, im Thau die Kelche prangen,
Und breit darüber Lindenwipfel hangen,
Vom Bienensang, vom Blüthenhauch umflossen.

Wem nimmer Veilchen unter Dornen sprossen,
Wem Lerchen längst verstummt sind, der, gefangen
Von Sommerelfen, spüret heut Verlangen
Nach heitrer Ruh mit sinnigen Genossen.

Im Bürgergarten in der Vorstadt höret
Ein Freundespaar beim Weinglas dieses Mahnen,
Und jeder Tropfen zwanzig Jahr beschwöret:

Vorüber ziehn ihm Geisterkarawanen,
Durch Mutter’s Zorn nicht werden sie gestöret,
Nicht von dem Rollwurf naher Kegelbahnen.
Zitieren
#9
Im Wein ist Klarheit

Die Wache hält ein Geist in Rebenhügeln,
Ein Engel leiht den zündenden Gewalten,
Die sich im Licht aus tiefem Grund gestalten,
Zwiefachen Fittig, Seelen zu beflügeln,

Rückwärts den Einen: Stumm gelehrtem Klügeln,
Dem Zecher muß die Vorzeit sich entfalten:
Sie plaudert vom erquickten Mund der Alten,
Und mit des Traumes willenlosen Zügeln

Lenkt sie den Jüngling heim zum Spiel des Knaben:
Und ihn berührt die Kraft der andern Schwinge,
In deren Schatten Kleinmuth wird begraben.

Der Dunst den Leib, den Stoff der Stoff bezwinge!
Dem Herzen giebt, ob diesem Rausch erhaben,
Begeisterung die Schlüssel künfger Dinge.
Zitieren
#10
Ein letzter Trunk

Horch, horch! Vom Doppelhufschlag nah und näher
Im Buchenwalde zittern dort die Pfade:
Husaren zwei, blitzäugig, kerzengrade
Ihr Roß pariren, ausgesandt als Späher.

Und Einer lacht: „Verschmachten ist kein jäher,
Doch aber böser Tod. Komm, bade
Dein heißes Herz in klarem Gold, Kamarade!
’s ist Erntetag und dürsten soll kein Mäher.

Nur diese Flasche jetzt, jetzt noch die Eine –„
- Da knattern Schüsse, bessre Labsal winket:
Dem Ruhm kredenzt der Tod mit dunklem Weine.

Hier aber eine leere Scherbe blinket
Und dort ein stilles Aug am Wiesenraine,
Das brechend nun den Gruß des Himmels trinket.
Zitieren
#11
Was läutet und klingt

Geläut und Glocke! Diese beiden Worte
Das Herz aufthun dem sinnenden Poeten,
Und aus dem Goldgrund seines Lebens treten
Glücksbilder vor mit ihrem besten Horte.

Wie schön sie sind: Dort lädt die Kirchenpforte
Zum Hochzeitsfest, zu kindlichen Gebeten,
Hier weiset einen wandermüd Unsteten
Der Vespergruß hinein zum Friedensporte,

Sein Auge perlt, der Quell des Segens fluthet.
Doch falls im Reigen andre Geister kämen
Aus andern Stunden, da wir frischgemuthet

Mit Kelchgeläut bestattet unser Grämen:
Wo edler Wein das reine Herz durchflutet,
Des Bechers wird die Glocke nie sich schämen.
Zitieren
#12
Die letzten Tropfen versiegen

Der Kampf ist aus, viel Herzen nimmer schlagen,
Die Perlen hegten für ein langes Leben;
Ein Jüngling, dessen bleiche Lippen beben,
Zum Sterben wird an’s Meer hinab getragen.

Dies aber schwillt und wallt, als möcht es sagen:
„O, zu mir komm! Du sollst mit Sinken, Heben
Zum Abendroth in Purpurwiegen schweben,
In tiefen Schlaf nach kurzen Heldentagen.“

Und sieh, der Knab emporgesprungen wehret
Den Kampfgenossen, flüsternd: Eine Schale
Voll allerbesten Weines sei geleeret!

Des Lebens Woge trug im Morgenstrahle
In lauter Glück mich, und dies Herz begehret,
Daß ich ihr Dank am Strand des Todes zahle.
Zitieren


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste
Forenfarbe auswählen: