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Sonettendichter
#1
I. Fr. Petrarka

Der ließest du die Leier hell erklingen,
Mit zartgehauchten, lieblichen Sonetten
Die Ohren uns zu süßer Lust zu ketten,
Dich soll mit lauten Saiten man besingen.

Was dir zuerst durft’ meisterlich gelingen,
Das wollten Andre wie in kühnen Wetten
Nacheifern dir, um in die wundernetten
Lenzblumen dir ein Blättlein noch zu weben.

Du trugst aus Südens warmgesonnten Auen
Nach Ost und West, was mag die Brust uns heben,
Wie wenn wir blühend rings die Fluren schauen.

So wollen wir den Kranz, den frischgepflückten,
Den immer neuen um die Stirn dir weben,
Wir, die an deinem sang wir uns entzücken.
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#2
II. W. Shakespeare

Du singst Sonetten, drin ich darf mich finden
In meinem Glück, in meinem stillen Leide,
In meinem Schmerz, in meiner lauten Freude
Lebendig darf mich selber wiederfinden.

Was lieben, hassen, suchen, meiden, binden
Ich will ums Herz mir, was ich gönne, neide,
Was fasset rauh mich an, mich weich wie Seide,
Das weißt du künstlich mir zum Kranz zu winden.

Du forschest mich in meinem stillsten Sehnen,
Belauschest mich, wenn lieg’ ich wie im Staube,
Und darf dann weit die Flügel wieder dehnen.

Das hab’ in deinen Liedern ich gefunden,
Und nahm es mir als wie zum süßen Raube,
In so viel leichten, so viel schweren Stunden.
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#3
III. W. Humboldt

Als wolltest du nach langer Arbeit mühen
Zurück dich in die stille Ruhe ziehen,
Da durften dir die goldnen Saiten klingen,
Manch süßes Lied uns klangreich zu singen.

Sonetten wollten lieblich dir erblühen,
Wie Blumen, die in bunten Farben glühen,
Die uns der Lenz auf goldbesäumten Schwingen
Als Morgengabe will zum Gruße bringen.

Wie wogt es sanft, wie stürmt es rauh das Leben,
Wie will sich Licht und Dunkel drein verweben,
Wie beugt es jetzt, und mag uns dann erheben:

Das Alles gibst du wechselnd uns zu schauen,
Und wie wenn frisch die jungen Morgen thauen,
Kann uns dein Sang in Lust und Leid erbauen.
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#4
IV. A. Platen

Der Sprache bist du als ein Meister mächtig,
Sie muß sich deinem Wink gelenksam schmiegen,
Sich wenden, drehen, formen, weich sich biegen,
Und wenn du willst, herrauschen stolz und prächtig.

Wenn schlingst du Verse, wie so fein, bedächtig
Wägst du die Worte, künstlich sie zu fügen
Zu Reimen, die mit süßem Klang sich wiegen
Auf Tonesschwingen, leicht doch sinnesträchtig.

Dir fügen sich die schönsten der Sonetten
So zart und lind zu Tönen, klangesweichen,
Wie Fäden schlingen sich zu seidnen Ketten.

Und wen du hebst auf deine leichten Schwingen,
Auf deine bunten, immer farbenreichen,
Dem kannst zum Lob den schönsten Kranz du schlingen.
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#5
V. Fr. Rückert

Verborgne Schätze hast du aufgeschlossen
In sonnenhellen, klangesvollen Reimen,
Das Leben uns zu süßer Lust zu säumen
Mit Liedern, fernem Morgenland entsprossen.

Und was du selbst empfunden, still genossen,
Was durftest du in schönen Stunden träumen,
Das hast du, wie wenn Silberwogen schäumen
In reichen Formen schimmernd ausgegossen.

Hell rauschten dir geharnischte Sonetten,
Zu kühnem Streit die Manneskraft zu wecken,
Daß brech’ entzwei die fremde Sclavenketten.

Und wieder klingen weiche dir und linde,
Wie wenn ein Bächlein rinnt aus hellen Becken,
Wie wenn ein Blatt sich wiegt im Frühlingswinde.
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